Wunstorf-Kanonissen St Cosmas und Damian

Photo: Disconstu, 2008, CC BY-SA 3.0

Wunstorf - Kanonissen- und Kanonikerstift, später ev. Stift

Existenz: 865 bis nach 1848
Heutiges Gebiet: Stadt Wunstorf, Region Hannover
Orden/Art: Kanoniker
Damalige kirchliche/weltliche Zugehörigkeit: Diözese Minden, später Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers; Sachsen, bei Aufhebung Königreich Hannover

Nach dem Stift Bassum erscheint das Stift Wunstorf als zweitälteste Einrichtung auf niedersächsischem Gebiet. Das Kanonissenstift wurde 865 vom Mindener Bischof Dietrich I. gegründet und mit bischöflichen Gütern ausgestattet. 1181 erscheinen erstmals auch Kanoniker, die bis ins 14. Jahrhundert dem niederen Adel entstammten, danach vor allem Bürgerliche waren. Die Zahl der Kanonissen, die adliger, z.T. edelfreier Herkunft waren und dies Zeit des Bestehens des Klosters auch sein mussten, lag 1276 bei acht, 1418 wohl bei nur vier, im 16. Jahrhundert dann bei sieben. Der Konvent konnte seine Äbtissinnen, meist aus dem Hochadel, bereits im 11. Jahrhundert frei wählen. Im 16. Jahrhunderten stammten einige Äbtissinnen auch aus dem Reichsstift Gandersheim. Neben dem Amt der Äbtissin (erstmals genannt 871) gab es folgende Klosterämter: Pröpstin (1124), Dechantin (1124), Thesaurarin (1323), Küsterin (1329), Kellnerin (1323), Kantorin (1418).
Der Grundbesitz konzentrierte sich auf das Gebiet zwischen Leine und Deister südöstlich von Wunstorf bis nach Pattensen sowie in Wunstorf selbst. Außerdem gab es Güter in Groß und Klein Nenndorf, Rehren, Horsten, Algestorf, Grove und Kleinhegesdorf, in Basse bei Mariensee. Höfe unterhielt das Stift in Byhorst/Hedessen (1303), Wedenhusen/Neustadt a.R. (1321), Elvestorp (1336), Großgoltern (1408) und Osterhof/Groß Munzel. Ferner verfügte das Stift über Mühlen in Wunstorf. Spätestens nach der Reformation galt das Stift als verschuldet.
1010 brannten die Stiftsgebäude wohl infolge von Blitzschlag nieder. Erpo, Bruder des Mindener Bischofs, förderte den Wiederaufbau u.a. durch die Überführung von Reliquien der Heiligen Cosmas und Damian ins Stift. Die Stiftskirche war zugleich Pfarrkirche für Wunstorf und Umgebung. Die Marktkirche St. Bartholomäus war der Kirche als Kapelle zugeordnet, ebenso die Kapelle in Luthe. Dem Stift waren die Kirchen in Goltern und den späteren Wüstungen Nenstede und Hemmendorp inkorporiert. Eine Stiftsschule existierte mindestens seit dem 15. Jahrhundert, sie wurde im 19. Jahrhundert mit dem Lehrerseminar vereinigt. Ein Siechenhaus für zwölf Arme bestand bereits 1280.
Die Herrschaft über die im 13. Jahrhundert zur Stadt gewordenen Siedlung Wunstorf, lag die meiste Zeit bei den Grafen von Wunstorf-Roden. Sie verkauften ihre Grafschaft 1446 an den Bischof von Hildesheim, der sie 1447 an das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg weitergab. Hier wurde im Stift 1542 die Reformation eingeführt. Herzogin Elisabeth von Calenberg setzte in der Folgezeit zwei ihrer Töchter als Äbtissinnen in Wunstorf ein. Nachdem Herzog Erich II. von Calenberg formal selbst die Leitung des Stifts übernommen hatte, war das Amt der Äbtissin faktisch abgeschafft. Ein herzoglicher Amtmann übte die Rechtsprechung im Stiftsbezirk aus, die Kanonissen waren fortan Stiftsdamen mit landesherrlichen Pfründen. Ab 1598 leitete eine Vizedechantin den kleinen Konvent. Der Prediger und Superintendent erhielt wie die Schul- und Kirchendiener ein Kanonikat zur Versorgung. Im Lauf des 17. Jahrhunderts begannen die Kanonissen nicht mehr am Ort zu leben, so dass kein Gemeinschaftsleben meh stattfand und die Horengebete sukzessive eingestellt wurden. Das praktisch ausgestorbene Stift, das nur durch sieben, später acht, Präbenden konstituiert wurde, existierte formell bis 1964, nachdem es 1901 mit Bersenbrück und dem Hildesheimer Georgsstift zusammengelegt worden war.
Ältester Bau des Stiftsbezirk ist die Stiftskirche mit Bauteilen aus dem 11., mehr noch aus dem 12. Jahrhundert.Die heutige sog. Abtei stammt von 1520, ihr Keller jedoch wohl bereits aus dem 12. Jh.). Die Gebäude entlang der Stiftstraße stammen aus dem 16. Jahrhundert, sind meist jedoch jünger. Erhalten ist eine Glocke von ca. 1400 im Dachreiter, die anderen Glocken aus dem 19. und 20. Jahrhundert.

Literatur: Sven Mahmens, Artikel Wunstorf - Kanonissenstift mit angeschlossenem Kanonikerstift, später ev. Damen- und Männerstift, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, herausgegeben von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer, (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56,1), Bielefeld 2012, S. 1576-1590.

Germania Sacra: 721

FemMoData: 2849

Bearbeiter: Niels Petersen