Verden - Domstift


Photo: Uwe Barghaan, 2011, CC-BY-3.0

Verden - Domstift St. Fabian und Caecilia

Existenz: vor 890 bis 1648/51.
Heutiges Gebiet: Stadt Verden (Aller), Landkreis Verden.
Orden/Art: Domstift, Kanoniker.
Damalige kirchliche/weltliche Zugehörigkeit: Diözese Verden; bei der Aufhebung 1648/1651: Hochstift Verden.

Das Bistum Verden muss seine Ursprünge in einer wohl nach 814 entstandenen Missionszelle in Verden haben. Der Entstehungsprozess des Bistums wurde durch eine Immunitätsverleihung König Ludwig des Deutschen im Jahre 849 abgeschlossen. Die ersten sicheren Belege für die Existenz eines Domkapitels und eines Domherren finden sich dann in einer Urkunde aus dem Jahre 890. Der Stifter des Verdener Domstiftes ist nicht bekannt. Eine Urkunde, die Karl den Großen als Stifter angibt, ist eine spätere Fälschung. Erste Reliquien waren vermutlich die des St. Fabiani und St. Caeciliae, des Bischofs Harud und die seiner Vorgänger Spattos und Tanchos. Belege für eine Schule finden sich erstmals in der Zeit des Pontifikats des Bischofs Erpo. Ihm übertrug König Otto zudem das Markt und Münzrecht sowie den Bann und den Zoll in Verden. Das Verdener Hospital St. Nikolai war eng mit dem Domstift verbunden. In der Zeit des Pontifikats Bischof Hermanns in der Mitte des 12. Jahrhunderts gelangte das Domkapitel erstmals zu einer eigenständigen Position gegenüber dem Bischof. Ein Beleg für eine nötige Zustimmung des Domkapitels bei Beurkundungen findet sich erstmals im Jahre 1155. Von der Ausstellung einer Urkunde des Bischofs mit Konsens des Domkapitels ist jedoch erstmals 1220 explizit die Rede. Ab diesem Zeitpunkt waren Entscheidungen des Bischofs bezüglich der Rechte und Besitzungen des Domkapitels an dessen Zustimmung gebunden. Im Jahre 1275 erklärte sich das Domkapitel zu einem geschlossenen Kapitel und es wurde festgelegt, dass eine Domherrenpräbende in Zukunft nur nach Freiwerden einer Stelle vergeben werden solle. Die Domherren des Stiftes rekrutierten sich hauptsächlich aus dem Niederadel der Region. Es finden sich auch bis ins 16. Jahrhundert Domherren, die aus den Grafenfamilien Hoya, Oldenburg und Wölpe stammten, wenngleich seit dem 14. Jahrhundert ist ein Anstieg von Domherren bürgerlicher Herkunft zu verzeichnen ist. Im Jahre 1537 waren sechs der damals 15 Domherren Mitglieder der Adelsfamilie von Mandelsloh. Es bestanden folgende Dignitäten: Domprobst (erstmals genannt 994), Domdekan (1024/1028), Senior bzw. Vizedekan (1349/1351), Domscholaster (1349/1351), Domkustos bzw. Domthesaurar (1174), Domcellerar (1202), Domkantor (seit Stiftung der Domkantorei 1281). Daneben bestanden folgende Ämter: Domvikar (erstmals 1236), Stellmacheramt (einmalig belegt 1313), Domstrukturar (1342), Meister bzw. Verwalter des Weißbrotamtes (1369), Präsentor (1522), Syndikus (1557). Im Spätmittelalter löste sich das gemeinsame Leben der Domherren im Kapitel langsam auf. Es kam immer häufiger vor, dass die Domherren gleichzeitig Ämter an anderen Orten inne hatten und nicht in Verden anwesend waren. Aus diesem Grund kam es Anfang des 16. Jahrhunderts zur Einführung des Amtes des Präsentor. Dieser hatte die Aufgabe, in Vertretung der abwesenden Domherren, das eigentlich für dieses obligatorische Stundengebet, im Dom zu lesen, damit es bei Abwesenheit aller Domherren nicht zu einem Ausfall des Gebetes kam.
In der Zeit des Schismas um den Verdener Bischofsstuhl zwischen den Bischöfen Heinrich II. und Ulrich von Albeck in den Jahre 1407 bis 1417 kam es zu einer Spaltung innerhalb des Domkapitels in eine Lüneburger und eine Verdener Fraktion, die jeweils für sich in Anspruch nahmen, dass gesamte Domkapitel zu repräsentieren.
Dem Domstift unterstand die Kapelle St. Nikolai in der Verdener Nordstadt. Die Archidiakonats - und Pfarrkirche St. Johannis in Lüneburg war dem Domkapitel in der Zeit von 1387 - 1406 inkorporiert. In der Zeit von 1398 bis 1401 war die Uelzener St. Marien Probstei- und Pfarrkirche inkorporiert.
Mit dem Pontifikat des Bischofs Eberhard von Holle ab 1566 kam es zur Ausbreitung des Protestantismus im Domkapitel. 1568 legte der Bischof dem Verdener Landtag eine Liste mit neun Artikeln vor, in der u.a. die Abschaffung der katholischen Messe und eine Reform des Kirchengesanges gefordert wurden. 1569 wurde mit David Huber der erste evangelische Domprediger ernannt, 1572 wurde eine evangelische Kirchenordnung erlassen und 1573 die Generalsuperintendentur in Verden eingerichtet. Es ist jedoch zu beachten, dass trotz der Einführung der Reformation es weiterhin einige katholische Domherren im Kapitel gab. Im Laufe des 16. Jh. weitete das Verdener Domkapitel als Landstand seine Position gegenüber dem Bischof rechtlich aus. 1558 erhielt es die Gerichtsbarkeit über das Süderende Verdens, 1564 wurde die Hoheit des Kapitels über Verden anerkannt, 1621 wurde ihm das Münzrecht bestätigt. Während dieses Prozesses kam es zu Konflikten zwischen Bischof und Domkapitel, die teilweise gewaltsame Formen annahmen.
Im Jahr 890 verfügte das Domkapitel über Streubesitz in Westfalen und im Oldenburgischen. Ab Anfang des 11. Jh. werden Besitzungen des Domstifts im heutigen Landkreis Rotenburg in den Quellen fassbar. Diese waren größtenteils dem Villikationszentrum Nianford zugeordnet. Das Zentrum dieser Villikation wurde später nach Volkensen verlegt. Die Einkünfte aus diesen Besitzungen bestanden hauptsächlich aus Naturalien. Ab 1123 sind auch Geldeinkommen belegt. Bereits ab dem 11. Jh. wurde zwischen Gütern des Bischofs und Gütern des Domkapitels unterschieden. Seit dem 14. Jh. kam es zu einer Konzentration des Besitzes des Domkapitels. Güter in großer Entfernung wurden verkauft und Besitzungen in der Umgebung Verdens erworben. Mitte des 13. Jahrhunderts leiteten vom Domkapitel eingesetzte Meier die Haupthöfe. 1344 sind Einkünfte aus Gütern in Soltau, Buxtehude und Wede (wohl Großenwede bei Schneverdingen) genannt. Ab dem zweiten Viertel des 14. Jh. wurden die Güter des Domkapitels neu eingeteilt. Große Güterkomplexe wurden nun in Obödienzen zusammengelegt. Die erste war die Obödienz Hasselwerder im Alten Land, die erstmals 1358 fassbar wird. 1515 werden sechs Obödienzen genannt: Soltau, Wittlohe, Raven, Anderlingen und Oldendorf (bei Moisburg), Fahrenholz oder Neddenaverbergen sowie die Obödienz „Matten oder Marsch oder Matten Pröven oder Emmelndorf“. Neben den großen Obödienzen bestanden weitere kleinerer Güter, aus denen Einkünfte bezogen wurden. Diese dienten hauptsächlich der Versorgung der Domdigniäten mit Pfründen. Die Mischung aus Obödienzen und Dignitätspfründen blieb bis zur Auflösung des Domkapitels ein zentrales Merkmal seiner Besitzstruktur. Darüber hinaus hatten die acht Dienstältesten Domherren Zugriff auf weitere Einkünfte, die zu einzelnen Losen zusammengestellt waren. Es bestanden drei verschiedene Gruppen von Losen: neun Lose, die jeweils 14-20 Meierhöfe beinhalteten und acht Lose mit je einem Zehnten sowie acht Lose mit je einer Anzahl an Zinsschweinen. Des Weiteren verfügte das Domkapitel über Besitz in der Lüneburger Saline.
Der Verdener Dom ist erhalten. Der gotische Neubau wurde 1290 begonnen und diente als Ersatz für den im Jahre 1268 durch ein Feuer zerstörten alten Dom. Die Weihe erfolgte 1390. Vom mittelalterlichen Gebäudebestand des Domstifts ist nur das, 1421 errichtete, Wohngebäude der Neuen Dekanei erhalten. Zu bedeutenden Kunstgegenständen gehört ein Hölzerner Levitenstuhl von 1320. In den Giebeln des Domes befinden sich Reliefs des segnenden Christus zwischen den Heiligen Dorothea und Dionysius. Im Südfenster des Querhauses haben sich einige mittelalterliche Glasfenster mit Glasmalereien erhalten. Im Langhaus des Domes befinden sich noch 12 der ursprünglich 51 Bilder von Verdener Bischöfen, die 1609 von Bischof Philipp Sigismund, in Auftrag gegeben wurden.
Von 1629 bis 1631 wurde vorübergehend der Katholizismus wieder eingeführt und sämtliche evangelische Domherren wurden aus dem Kapitel entfernt. Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 wurde das Domkapitel unter schwedischer Herrschaft aufgelöst. Verden wurde in ein weltliches Fürstentum umgewandelt. Die Auflösung des Domstiftes wurde 1651 letztendlich besiegelt. Die Güter und Einkünfte des Stifts wurden an Offiziere als Dotationen vergeben.

Literatur: Arend Mindermann, Artikel Verden - Domstift St. Fabian und Caecilia, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, herausgegeben von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer, (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56,1), Bielefeld 2012, S. 1423-1452.

Germania Sacra: 3487

Bearbeiter: Lennart Steffen