Osnabrück Domstift

Photo: Jens-Olaf/ Martin Walter, 2005, CC BY-SA 3.0

Osnabrück - Domstift St. Petrus

Existenz: ca. 783 bis 1802, Neugründung 1858
Heutiges Gebiet: Stadt Osnabrück.
Orden/Art: Domstift, Kanoniker; zunächst Kirchenprovinz Mainz (858/863), dann Kirchenprovinz Köln (890).
Damalige kirchliche/weltliche Zugehörigkeit: Diözese Osnabrück; heute Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, Bistum Osnabrück; weltliche Zugehörigkeit: bei der Aufhebung 1802: Kurfürstentum Hannover.

Die Gründung des Bistums Osnabrück erfolgte zwischen 783 und 787 durch Karl den Großen. Der erste Osnabrücker Dom wurde durch Bischof Agilfried von Lüttich geweiht. Der Reliquienbestand des Domstifts umfasste die Reliquien von Crispin & Crispinian, die 787 aus Soissons nach Osnabrück gebracht wurden. Ferner existier(t)en Reliquien des Apostels Paulus, die vor 890 belegt sind sowie Reliquien der Regina von Alesia (vor 1218), Reliquien Cordulas und andere Weggefährten der Heiligen Ursula (1343 aus Köln überführt). Das Osnabrücker Domkapitel wird erstmals 851 in Zusammenhang mit der Überführung von Reliquien des Heiligen Alexander nach Wildeshausen erwähnt. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts löste es sich wohl in Zusammenhang mit den Normannenüberfällen für mehr ale ein Jahrhundert vorübergehend wieder auf. Belege für ein neu gebildetes Domkapitel gibt es in den Quellen erst wieder ab dem 11. Jahrhundert. In dieser Zeit begann es sich auch vom Bischof zu emanzipieren. Nach dem Tode Bischof Bennos II. im Jahre 1088, wurde wohl der gemeinsame Haushalt aufgehoben; im Jahre des Dombrandes 1100 erfolgte vermutlich die Aufhebung des gemeinsamen Lebens (vita communis). Es bestanden folgende Dignitäten an Domstift: Dompropst und Domdechant (erstmals genannt 1037); Domscholaster (1048); Domküster (1090); Domkellner (1147/50); Domkantor (1221); die Inhaber der vier bischöflichen Kaplaneien Dissen, Wiedenbrück (ab 1258 Schledehausen), Melle und Bramsche (ab 1276 Laer) waren aus den Reihen der Domherren zu ernennen. Neben diesen Ämtern bestanden noch geistliche Unterbeamte: der Subkustos (1217), der Rektor des Hauptaltars (1242), der Rektor der Domschule (1315), sowie der Succentor (1217). An Laienämtern bestanden: Campanarii (Glöckner), Sacrista (Küster) und der Organist. Das Amt des Strukturars war für den baulichen Unterhalt des Domes zuständig und wurde nicht von einem Domherrn besetzt, sondern von einem Domvikar ausgeübt. Domherren waren seit dem 13. Jahrhundert in den bischöflichen Räten vertreten. Ab 1525 waren Kapitelsekretär und ab 1544 Kapitelsyndikus Beamte mit jursitischer Ausbildung.
Im hohen Mittelalter entwickelte das Domkapitel seine charakteristischen Exklusivrechte, wie: Bischofswahlrecht, Stiftsregierung während der Sedisvakanz und Konsensrecht bei bischöflichen Entscheidungen. Das Konsensrecht beinhaltete, dass die Domherren bei geistlichen Amtshandlungen, Veräußerungen von Kirchengut und dem Schließen von Bündnissen ihre Zustimmung zu geben hatten. Es gelang dem Domkapitel im Verlauf des 11. und 12. Jahrhunderts, seine geistlichen Konkurrenten, das Stiftskapitel von St. Johannes in Osnabrück und den Abt des Benediktinerklosters Iburg, in ihrer Bedeutung für die Regierung des Bistums und des Stiftsgebiets zurückzudrängen. Anfang des 12. Jahrhunderts entwickelte sich das Prinzip der Bischofwahl durch das Domkapitel, in Osnabrück erstmals 1119. Das Kapitel konnte dieses Recht im 15. Jahrhundert gegen Anfechtungen durch die Osnabrücker Ritterschaft und die Stadt Osnabrück behaupten. Vom Domkapitel gewählte Bischöfe stammten zumeist aus den westfälischen Grafenhäusern oder aus dem Welfenhaus. Besonders im 15. und 16. Jahrhundert wurde die Bischofswahl deshalb von Konflikten zwischen den einzelnen Adelshäusern überschattet. Das Domkapitel erhielt in Folge auch eine führende Rolle in der landständischen Verfassung des Hochstiftes Osnabrück, wo es den ersten Stand und die einzige geistliche Kurie bildete.
Ein sicherer Beleg für die Existenz einer Domschule findet sich 1208. Ein Domscholaster ist bereits 1084 belegt. Das Domkapitel war der Stifter des Hospitals zum Heiligen Geist (1250) und des Hospitals für arme Geistliche (1309/10). Belege für ein Domkirchspiel finden sich erstmals 1147; ein Dompfarrer lässt sich erstmals 1273 nachweisen. Vom 13. Jahrhundert bis zur Reformationen waren St. Marien und St. Katharinen dem Dom als eigene Kirchspiele inkorporiert, infolge der Reformation schieden sie jedoch aus der katholischen Kirchenorganisation aus, weshalb nun auch die Katholiken in den alten Kirchspielen St. Marien und St. Katharinen beim Dom eingepfarrt waren. Die Pfarrkirche zu Ankum war seit 1221 der Domkantorei inkorporiert. Auch besaß der Dom die Patronatsrechte über folgende ländliche Kirchen: Alfhausen, Ankum, Bockhorst, Cappeln, Damme, Dissen, Glandorf, Hilter, (Bad) Laer, Lotte, Melle, Merzen, Oesede, Oldendorf, Riemsloh, Schledehausen, Versmold und Wallenhorst, desweitern wurden die Patronate über fast alle Kapellen in Osnabrück ausgeübt. Auch hatten Mitglieder des Domkapitels Anrechte auf die Besetzung der zwischen 1169 bis 1517 eingerichteten Kapellen des Domes (St. Gregorii, St. Margarethen, St. Michaelis, St. Mariae Magdalena, St. Marien, St. Thomas, St. Hieronymi und St. Crucis). Über die Pfarrkirche in Emstek übte der Inhaber der Domvikarie St. Marien das Vikariat aus.
Die Gründungsausstattung des Bistums lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. 822 musste das Osnabrücker Bistum schwere Einbußen in seinen Einkünften hinnehmen, da in diesem Jahr das Kloster Corvey gegründet wurde, dem ab diesem Zeitpunkt die Einnahmen aus dem Zehnten im nördlichen Teil der Diözese Osnabrück zuflossen. Nach Auseinandersetzungen um diese Einkünfte sprach Kaiser Heinrich IV. dem Bistum zumindest die Einkünfte aus den Zehnten zu. Als die bis 1088 vollzogene Auflösung des gemeinsamen Haushalts zwischen Bischof und Domkapitel abgeschlossen war, wurde das Vermögen des Domkapitels zuerst vom Dompropst verwaltet. Während des 12. Jh. formte das Domkapitel aus seinen Besitzungen verschiedene Präbenden, Obödienzen und Kurien für die einzelnen Domherren. Die den Präbenden zugehörigen Güter lagen in der nahen Umgebung der Stadt Osnabrück und wurden zum geringen Teil in Eigenwirtschaft verwaltet. Der größte Teil dieser Güter wurde jedoch verpachtet, teilweise auch an andere Domherren. Neben diesen Präbenden bestanden seit dem frühen 13. Jahrhundert neun Obödienzen: Limberg, Riemsloh, Ellerbeck, Essen (bei Wittlage), Oesede, Todeburn (=Tömmern), Papinghof, Nolle und Osterhaus, auf die die älteren Domherren ein Anrecht hatten. Der auf den Süden des Hochstifts beschränkte Besitz der Obödienzen wurde im Spätmittelalter durch Memorienstiftungen stark vermehrt. stiftete der Domküster Rudolf von Luten, testamentarisch, eine neue Obödienz. Die Obödienz Nolle bestand von 1632 bis 1717. Seit dem Jahr 1223 stand die Nutzung der Eversburg nordwestlich von Osnabrück dem Dompropst zu, dem Domdechant war spätestens seit Beginn des 16. Jahrhunderts die nahe der Stadt gelegene Crispinsburg (Kemnade) übergeben worden. Ab 1596 wurde das adelig-freie Gut Ovelgünne, welches das Domkapitel vom Fürstbischof erhalten hatte, mit der Domkantorei und später mit der Dompropstei verbunden. 1796 erwarb das Domkapitel das landtagsfähige Gut Sondermühlen. Während des 18. Jh. war das Domkapitel nach dem Adel und dem Fürstbischof der größte Grundbesitzer im Hochstift. Der Anteil des Domkapitels am unmittelbaren Dombezirk (Domhof und Kleine Domfreiheit) wurde in verschiedene Grundstücke aufgeteilt, auf denen die Wohnhäuser (Kurien) der einzelnen Domherren errichtet wurden.
1543 führte der Fürstbischof Franz von Waldeck gegen den Willen der Domherren die Reformation in Osnabrück ein. Der Bischof wurde zwar 1548 seines Amtes enthoben, jedoch kehrte das Bistum zunächst nicht zum Katholizismus zurück. Da aber die Mehrheit der Domherren ab den 1580er Jahren wieder der katholischen Konfession angehörte, gab es auch wieder Mehrheiten für katholische Bischöfe. Die katholische Gegenreformation der Fürstbischöfe Eitel Friedrich von Hohenzollern und Franz Wilhelm von Wartenberg fand ihr Ende mit der Eroberung des Bistums durch schwedische Truppen 1633 im Dreißigjährigen Krieg. Im Westfälischen Frieden wurde 1648 für Osnabrück festgelegt, dass es ein gemischtkonfessionelles Territorium mit abwechselnd katholischem und protestantischem Bischof werde. Diese Regelung schränkte die Wahlfreiheit des Domkapitels bezüglich der Bischofswahl stark ein. Als 1761 der katholische Fürstbischof Clemens August von Bayern verstarb, nahm der König/Kurfürst Georg III. das Fürstbistum in Besitz ohne die Zustimmung des Domkapitels abzuwarten. Sein Sohn Friedrich von York wurde 1764 als Säugling im Alter von sechs Monaten, vom Domkapitel zum letzten Osnabrücker Fürstbischof „gewählt“.
1803 wurde durch den Reichsdeputationshauptschluss das Hochstift Osnabrück dem Kurfürstentum Hannover zugeschlagen. Das alte Osnabrücker Domkapitel tagte am 21. Dezember 1802 zum letzten Mal. Nach der Aufhebung des Domkapitels und der Säkularisierung des Hochstifts diente der Osnabrücker Dom zunächst als Pfarrkirche. Den alten Domherren wurde die lebenslange Nutzung der Domherrenkurien als Teil ihrer Pension versprochen. Als es 1857 zur Wiedereinrichtung des Bistums kam, wurde der Dom wieder Bischofskirche.
Der erhaltene Dom geht auf einen Neubau nach 1100 zurück und erhielt unter Bischof Adolf von Tecklenburg weitgehend seine heutige Gestalt. Zwischen 1748 und 1752 erfolgte die Barockisierung des Dominneren. Vom den Kurien der Domherren ist heute nur die Kurie Große Domfreiheit 8 erhalten, das heutige Bischofspalais. Für die Inschriften der Grabmäler im Dom siehe: DI 26.

Literatur: Christian Hoffmann, Artikel Osnabrück - Domstift St. Petrus, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, herausgegeben von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer, (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56,1), Bielefeld 2012, S. 1140-1166.

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