Stift Fischbeck

Photo: Klosterkammer, Kristina Weidelhofer

Fischbeck - Kanonissenstift, später Augustiner-Chorfrauen, dann Augustinerinnen; heute ev. Damenstift

Existenz: 955 bis heute
Heutiges Gebiet: Stadt Hessisch Oldendorf, Landkreis Hameln-Pyrmont.
Orden/Art: Kanonissenstift; ab 1260 Augustiner-Regularkanonissen, 1485 Augustinerinnen; nach der Reformation evangelisches Damenstift.
Damalige kirchliche/weltliche Zugehörigkeit: Diözese Minden, heute Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, Bistum Hildesheim; bei Gründung: Herzogtum Sachsen, heute Land Niedersachsen.

955 gründete die Edelfrau Helmburg aus dem sächsischen Geschlecht der Ecbertiner das Stift. Gründungsmotiv war die Pflege der Memoria für den Gemahl und die Söhne der Stifterin. König Otto I. stattete das Kloster mit erblichem Besitz in Fischbeck und Umgebung und mit einem Schutzprivileg aus. Die Übernahme der Vogtei durch den König machte Fischbeck zum königlichen Schutzkloster, Lehnsherren waren die Herzöge von Sachsen, Untervögte die Grafen von Schaumburg. Als geistlicher Oberherr des Stifts fungierte der Bischof von Minden. Zum Marien-Patrozinium trat vor 1130 das Patrozinium des hl. Johannes Baptist hinzu. Der Zahn und weitere Reliquien des Johannes Baptist sind vermutlich verlorengegangen.
Die Ländereien aus der Gründungsdotation lagen in Fischbeck selbst, in den Sünteldörfern Wickbolsen, Bensen, Haddessen, in der Gegend von Münder, Hameln und Rinteln, im Gau Tilithi sowie in der Gegend von Warendorf. Ein Güterverzeichnis von 1433 weist circa 32 Orte mit etwa 33 Höfen und rund 80 Hufen Land aus, deren Besitzer die dritte Garbe und Geldrenten zu zahlen sowie Schweine zu liefern hatten. Daneben besaß das Stift Zehntrechte in Herriehausen und Kessiehausen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestand der Stiftsbesitz aus Ländereien, Zehntrechten, einer Schäferei, einer Mühle und einer Ziegelbrennerei sowie aus Salzvorkommen in Münder. Acker und Gartenland lag im hessischen Amt Schaumburg, in den hannoverschen Ämtern Aerzen, Calenberg, Coldingen, Coppenbrügge, Grohnde-Ohsen, Ilten, Lachem, Lauenau, Münder und Springe, in den Städten Hameln und Münder sowie in der Grafschaft Pyrmont. Zehntrechte besaß das Stift vor Fischbeck, Höfingen, Haddessen, Weibeck und Wickbolsen.
1334 erhielt das Stift von den Knappen von Boventen das Patronatsrecht über die Kirche St. Ägidien in Holtensen bei Hameln. 1469 gewährte Papst Paul II. dem Stift die Inkorporation der Pfarrkirche. Außerdem hatte das Stift das Patronat über die Kirche in Fuhlen. Eine Krankenstation ist für das Jahr 1346 belegt. Die formale Unabhängigkeit konnte die Einflussnahme der Mindener Bischöfe auf das religiöse Leben im Stift nicht verhindern.
Um 1260 nahm das bis dahin freie Kanonissenstift die Augustinerregel an. Eine erfolgreiche monastische Reform führte um 1450 Äbtissin Armgard von Reden durch, die Fischbeck zu einem blühenden Kloster mit regem geistlichem Leben werden ließ. Der Konvent wuchs auf 24 Nonnen an. An Klosterämtern sind überliefert: Äbtissin (erstmals 1004), Priorin (1206) Küsterin (1321), Schäfferin (1461), Priester (1205), Kaplan (1313), Wochenherr (1329), Vikar (1387), Prokurator (1343), Provisor (1323), Stiftsvogt (1353). Bischof Heinrich von Minden und Graf Erich III. zu Holstein und Schaumburg führten 1485 gegen den Einspruch der Konventualinnen eine sehr viel strengere Augustinerregel ein.
Lutherischer Gottesdienst wurde erstmals zu Pfingsten 1559 gehalten. Anfänglicher Widerstand gegen die von Graf Otto IV. zu Holstein und Schaumburg veranlasste Reformation wurde durch einen 1566 mit den Ständen der Grafschaft Schaumburg geschlossenen Vertrag beigelegt, in dem sich Otto zum Erhalt der beiden schaumburgischen Stifte Fischbeck und Obernkirchen verpflichtete. Ein 1602 mit Graf Ernst zu Holstein und Schaumburg geschlossener Vergleich sicherte die Unabhängigkeit Fischbecks und seinen Status als evangelisches Damenstift bei gleichzeitiger Anerkennung der schaumburgischen Landesherrschaft. Eine überarbeitete Kirchenordnung des Grafen legte die Beendigung lateinischer Kirchengesänge und die Abschaffung des Nonnenhabits in Fischbeck fest. Im Dreißigjährigen Krieg erlitt das Stift 1625 schwere Schäden durch plündernde kaiserliche Truppen unter Graf Tilly. 1629 bis 1633 wurde es nach den Bestimmungen des kaiserlichen Restitutionsediktes durch Geistliche des Jesuitenordens rekatholisiert. Seit der schaumburgischen Landesteilung im Osnabrücker Friedensvertrag von 1648 stand das Stift unter hessischer Landeshoheit. Die erstmals 1663 erwähnte Schule war im Kantorhaus untergebracht. 1829 wurde eine einräumige Schule für Mädchen, 1873 ein neues bis 1946 genutztes Schulhaus erbaut. 1806 waren Äbtissin und Stiftsdamen zur Flucht nach Rinteln gezwungen. Die am 1. Dezember 1810 im Königreich Westphalen befohlene Aufhebung aller geistlichen Stifte betraf auch Fischbeck. Nach der Niederlage Napoleons setzte Kurfürst Wilhelm I. von Hessen das Stift 1814 wieder in seinen alten Stand ein. Von 1889 an wurde der jeweilige Landrat des preußischen Kreises Grafschaft Schaumburg als landesherrlicher Kommissar für das Stift bestellt. Seit 1946/49 nimmt der Präsident der Klosterkammer Hannover die Aufgaben eines Niedersächsischen Landeskommissars für das Stift Fischbeck wahr. Heute leben in Fischbeck zehn Frauen in christlicher Gemeinschaft, deren Hauptaufgabe in der Traditionspflege liegt - der Bewahrung von Stiftsgebäuden und Kirche, der historischen und kunsthistorischen Erläuterung der überkommenen sakralen Stätten - sowie in der Weiterführung des gelebten christlichen Glaubens.
Die Stiftskirche entstand im frühen 12. Jahrhundert als dreischiffige flachgedeckte Kreuzbasilika mit Westriegel und Krypta. Die Merkmale der ursprünglichen sächsischen Architektur mit Stützenwechsel, Flachdecke, ausgeschiedener Vierung und Westriegel wurden bei der umfänglichen Restaurierung 1903/04 beibehalten bzw. weiterentwickelt. Im Klausurbezirk sind der Westflügel, in dem sich Dormitorium und Kapitelsaal befanden, und der Südflügel, in dem Küchenräumen und Refektorium lagen, erhalten. An den Kernbezirk des Stifts schließen sich in nachreformatorischer Zeit entstandene Wohngebäude von Stiftsdamen an. Es existieren noch eine große Stundenglocke und zwei kleinere Glocken. Erhalten haben sich ein Triumphkreuz mit Christusbild (um 1250) sowie ein holzgeschnitztes Lesepult in Gestalt eines Adlers (um 1350). Ein Reliquienkopf des hl. Johannes Baptist aus dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts befindet sich heute im Kestner-Museum Hannover.

Literatur: Renate Oldermann, Artikel Fischbeck - Kanonissenstift, später Augustiner-Chorfrauen, dann Augustinerinnen; heute ev. Damenstift, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, herausgegeben von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer, (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56,1), Bielefeld 2012, S. 410-417.

Germania Sacra: 378

GND: [5149856-X]

FemMoData: 682

Bearbeiterin: Leonie Bunnenberg