Photo: Ulamm, 2015,CC BY-SA 3.0
Domstift St. Petrus in Bremen
Existenz: von etwa 799/805 bis 1649
Heutiges Gebiet: Freie und Hansestadt Bremen
Orden/Art: Domstift; Kanoniker
Damalige kirchliche/weltliche Zugehörigkeit: Erzdiözese Bremen, (zeitweise schwedisches) Herzogtum Bremen
Über die eigentliche Bistumsgründung liegen keine Nachrichten vor. Sie muss spätestens 805 erfolgt sein. Gründer des Stiftes war lt. Legende der Missionsbischof Willehad, der nach angelsächsischem Vorbild zwischen 787 und 789 neben der Kathedrale ein Monasterium einrichtete. Das Gemeinschaftsleben im Monasterium bestand in den ersten zwei Jahrhunderten aus einer Mischform; die Geistlichen lebten nach der mönchischen Regel, trugen aber die Kleidung von Weltgeistlichen. Im 11. Jahrhundert formierte sich das mönchische Domkloster zum Domkapitel. Nach dem Brand von 1041 verfiel nicht nur das Stiftsgebäude sondern auch das Gemeinschaftsleben zusehends. Der Kardinallegat Otto von St. Nicolai reformierte das Kapitel um 1230, dies sorgte für einen beträchtlichen Kompetenz- und Machtzuwachs des Domkapitels im Verlauf des 13. Jahrhunderts. Die Verweltlichung des Domklerus und die Zunahme des Pfründendenkens unter den Kanonikern führten dazu, dass die geistlichen Pflichten in zunehmendem Maße von den Domvikaren wahrgenommen wurden. Im 15. Jahrhundert dienten rund 80 Vikare am Dom. Im Kapitel bildeten sich zudem zahlreiche Ämter aus: Propst (918), Dechant (987), Scholaster (960), Thesaurar/Küster (1091), Cellerar/Kellner (1180), Kantor (1232). Geistliche Ämter: Erzkanzler (1091), Vizedominus (1230), Lektor (1434), Subkustos (um 1187), Succentor (1410). Weltliche Ämter: Kämmerer (um 1187), Glöckner (um 1187), Notar (1189), Strukturar (1310), Koch (1318), Official (1322), Organist (1350), Archivar (1594), Stiftssyndicus, Sekretarius (1627), Kammersekretär des Dompropstes (1629).
Der rasche Durchbruch der Reformation in der Stadt seit 1522 bildete eine tiefeinschneidende Zäsur. Das Kapitel blieb seitdem bis zu seiner Auflösung konfessionell gemischt. Die im Osnabrücker Friedensvertrag beschlossene Säkularisierung aller kirchlichen Güter, Rechte und Einkünfte entzog dem Domkapitel seine Existenzgrundlage und am 29. November 1648 untersagte die schwedische Regierung dem Bremer Domkapitel, vakante Domherrenstellen und Vikariate erneut zu besetzen. Spätestens nachdem die Stadt Bremen im sogenannten Ersten Stader Vergleich vom 28. November 1654 dem Domkapitel ihren Schutz entzog, war dem Widerstand gegen die schwedische Säkularisierungspolitik der Boden entzogen und das Ende des Domkapitels endgültig besiegelt.
Bis zur Gründung der Marktkirche St. Veit, die die Pfarrrechte im 11. Jahrhundert übernahm, nahm der St. Petri Dom pfarrkirchliche Funktionen in Bremen sowie in einer Vielzahl von umliegenden Dörfern wahr. Der Dompropst führte weiterhin den Vorsitz im Sendgericht und er übte das Investiturrecht und das Kollationsrecht aus. Nach der Einteilung des Stadtgebiets in vier städtische Pfarrkirchen 1229 blieben die Pfarrkirchen Unser Lieben Frauen und St. Martini Pfarreien des Dompropstes, der das Kollationsrecht innehatte und den Pfarrer investierte. Im bremischen Landgebiet behielt der Dompropst das Kollationsrecht bei den Landpfarreien in Gröpelingen, Büren, Arsten, Huchting und Oberneuland. Die Landkirchen in Wasserhorst und von St. Jürgen wurden ihm um 1200 inkorporiert. Bis 1300 war der Dom Pfarrkirche für die Bewohner der Domimmunität.
Die Domschule ist erstmals um 960 sicher bezeugt. Ihre Hauptaufgabe war im Mittelalter die Ausbildung des Klerikernachwuchses für die Diözese. Mit dem Aufkommen der Universitäten im Spätmittelalter war die sie nur noch für die elementare Grundausbildung des Priesternachwuchses zuständig. Seit der Reformation wurde die im Kapitelhaus untergebrachte Domschule ausschließlich von Kindern lutherischer Eltern besucht. 1642 wurde am Dom eine lutherische Lateinschule neu eingerichtet, in der Kinder vom fünften Lebensjahr an unterrichtet wurden. 1796 wurde der Schulbetrieb eingestellt. Erzbischof Ansgar stiftete nach 854 ein Armenspital. Die Verwaltung des Hauses erfolgte durch Kanoniker des Domstifts. Die Armenpflege erfuhr unter Erzbischof Adalbert einen Rückschlag, der das wohldotierte Armenspital seiner Mittel beraubte. Im Spätmittelalter wurden neunmal im Jahr vor dem Dom mildtätige Gaben an die Armen verteilt.
Im Spätmittelalter erstreckte sich der Güterbesitz des Kapitels über das ganze Gebiet der Diözese, im Süden lagen einige Besitzungen sogar im Bereich der benachbarten Bistümer Verden und Minden. Ein Großteil der Güter lag beiderseits der Weser und erstreckte sich von Nienburg im Süden bis nach Debstedt und Langen im Norden. Zwischen Achim und Brake war das Kapitel in einer Vielzahl von Orten Grundbesitzer. In Ostfriesland verfügte es an einigen Orten (Jever, Asel, Hohenkirchen, Arle, Westeraccum) über Besitzungen. Die nördlichsten Besitzungen des Kapitels waren Amlake und Osterbruch bei Otterndorf im Land Hadeln, im Süden waren Schinna und Landesbergen südlich von Nienburg die Außenposten des Domstifts. Die wichtigsten Meierhöfe waren Arsten, Bramstedt, Eggestedt, Hammelwarden, Hastedt, der „Hemm“, Ketsche, Lunsen, Medehem und Ostendorp. Eine zinspflichtige Mühle ist in Bramstedt belegt. In Wurtze (Obervieland) war das Kapitel im Besitz einer Fischerei; Fischlieferungen aus Arsten, Hastedt, Hemm, Ostendorpe, Hammelwarden, Ketsche, Lunsen, Medehem und Bramstedt deuten darauf hin, dass das Kapitel dort ebenfalls Fischrechte besaß. In Eckwerder (Obervieland) besaß das Kapitel eine Lehmgrube. Durch ein Privileg vom 9. Juni 888 erhielt die Bremer Kirche erstmals das Markt- und Münzrecht, das den Erzbischöfen die Marktaufsicht sowie die Einkünfte aus Münzprägung und Marktzoll zugestand. Das Marktprivileg vom 16. Oktober 1035 enthielt die Erlaubnis, jeweils in der Woche vor Pfingsten und vor dem Festtag des hl. Willehad (8. November) einen Jahrmarkt in Bremen abzuhalten.
Der romanische St. Petri Dom besteht aus einer dreischiffigen Pfeilerbasilika mit zweitürmigem Westwerk, Ost- und Westchor samt zugehörigen Krypten sowie einschiffigem Querhaus und quadratischer Vierung. Dieser Bau aus dem 11. Jahrhundert wurde im Laufe der Zeit durch unterschiedliche Anbauten erweitert. 1888 bis 1901 erfolgte eine umfassende Restaurierung des Doms, die ihm sein heutiges Aussehen verlieh.
Inschriften auf den erhaltenen Wangen des Chorgestühls in der Südschiffkapelle von etwa 1460/80; Domglocke ‚Maria Gloriosa’ im Nordturm vom Glockengießer Ghert Klinghe aus dem Jahr 1433. Das Kapitel verfügte über zahlreiche Reliquien. Zum Grundbestand zählten Reliquien der in Bremen bestatteten heiligen Bischöfe Willehad, Ansgar und Rimbert, dazu kamen im Spätmittelalter mehr als 200 weitere Reliquien u.a. von Christus, Maria, den meisten Aposteln und zahlreichen Märtyrern. Viele Reliquien sind in der Reformationszeit verloren gegangen. Von dem reichen mittelalterlichen Kirchenschatz ist nur wenig überliefert. Erhalten sind in Bremen ein silbervergoldeter Kelch und Patene des Dombauherren Hinrich Groning aus dem Ende des 14. Jahrhunderts (Bremer Landesmuseum); Kelch mit Blattrankendekor, um 1400 (Dom-Museum); teilweise vergoldeter Eucharistiekelch des Domherrn Gerhard Brandis von vor 1518 (Dom-Museum). Fragmentarische Reste von Wand- und Gewölbemalereien mit figürlichen Szenen aus dem Leben Christi in der ehemaligen Marienkapelle zwischen Ostchor und südlichem Querschiff (um 1414, Dom-Museum); zwei spätmittelalterliche Altargemälde mit Darstellung der Geißelung Christi und der Kreuztagung Christi eines unbekannten Künstlers (um 1500, heute im Dom-Museum); vier Tafelbilder eines Kreuzaltars von Hans Rot (von 1513, seit 1987 in Dom-Besitz; Südschiffkapelle); Gemälde von Lucas Cranach d.Ä. mit lebensgroßer Darstellung Christi als Schmerzensmann (nach 1537, Dom-Museum); Gemälde „Anbetung der Könige“ von F. Wulfhagen (Mitte des 17. Jahrhunderts, Südschiffkapelle); Gemälde „Jüngstes Gericht“ von H. Berichau (1698, Südschiffkapelle).
Literatur: Ulrich Weidinger, Artikel Bremen – Domstift St. Petrus, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, herausgegeben von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer, (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56,1), Bielefeld 2012, S.193-222
Germania Sacra: 343
Bearbeiterin: Leonie Bunnenberg