Photo: Brunswyk, 2008, gemeinfrei

Braunschweig - Kollegiatstift St. Blasius

Existenz: erste Hälfte des 11. Jahrhunderts bis 1810
Heutiges Gebiet: Stadt Braunschweig
Orden/Art: Kollegiatstift, Kanoniker
Damalige kirchliche/weltliche Zugehörigkeit: Diözese Hildesheim, heute Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig, Bistum Hildesheim; bei der Aufhebung 1810 Königreich Westphalen

Das Stift St. Blasius wurde vor 1038 von Graf Liudolf und seiner Gemahlin Gertrud der Älteren aus dem Geschlecht der Brunonen in ihrer Braunschweiger Burg gegründet. Die Stifterin ließ darüber hinaus wertvolles liturgisches Gerät anfertigen, den sogenannten „Welfenschaftz“. Die drei Hauptpatrone waren Johannes der Täufer, St. Blasius und seit 1226 Thomas Becket. Um 1482 besaß das Stift dann etwa 1220 Reliquien von 286 Heiligen. Herzog Heinrich der Löwe baute die Burg aus und errichtete nach 1173 eine neue Stiftskirche, die ihm als Patron zustand und wo er und seine Gemahlin Mathilde beigesetzt wurden. Vom 12. bis zum 19. Jahrhundert bestand eine enge Verbindung des Stifts zur welfischen Dynastie. Das Stiftskapitel diente den Herzögen quasi als Hofkapelle.
Durch zahlreiche Schenkungen und Stiftungen verfügte der Konvent über größere Besitzungen und Streubesitz in verschiedenen Ortschaften, über Vorwerke und Anteile an der Lüneburger Saline, Einkünfte aus Mühlen (in Börßum, Gifhorn, Harxbüttel, dem heute wüsten Honrode bei Walle, Reppner, Sickte, Küblingen, Twelken, Wendessen) und Hausbesitz sowie Fischereirechte. Zwei Drittel des Landbesitzes befand sich in 45 Dörfern östlich der Oker im Bistum Halberstadt, ein Schwerpunkt lag zwischen Oker und Elm. Das Propsteigut wurde im Laufe der Entwicklung des Stifts ausgegliedert und die Kanoniker übernahmen die Verwaltung des Kapitelgutes unter der Leitung des Dekans.
Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts waren die Kanoniker, die von den Herzögen eingesetzt wurden, adliger und bürgerlicher Herkunft, danach fast ausschließlich Bürgerliche. Für viele der Kanoniker ist ein Universitätsstudium belegbar. Mit dem Anwachsen des Konvents stieg auch die Zahl der Vikarien, von denen es um 1530 47 gab. 1472 wurde die Stiftskirche umfangreich erweitert. Die Zuständigkeit der Stiftskirche St. Blasius als Pfarrkirche beschränkte sich im wesentlichen auf den Burgbereich. In der Stadt übten die Stiftsherren jedoch einen großen Einfluss aus, da viele von ihnen als Pfarrer in den städtischen Pfarreien tätig waren, außerdem vertrag der Dekan des Stifts alle Geistlichen der Stadt gegenüber dem Rat. Patronatsrechte des Propstes und des Stiftes sind in bis zu 22 Orten nachweisbar. 1413 hatte das Stift großen Anteil am sogenannten Braunschweiger Pfaffenkrieg. Die im Mittelalter bedeutende Stiftsschule bestand bis in den Dreißigjährigen Krieg hinein. Ein Hospital wurde erstmals 1363 erwähnt.
Nach der Reformation blieb das Stift zunächst dem alten Glauben treu und verließ zeitweise die Stadt, kehrte dann aber zurück und wurde nach einer konfessionell gemischten Phase von 1542 bis zum Tod des letzten katholischen Dekans 1566 schließlich 1568 in ein evangelisches Stift unter dem Patronat des welfischen Gesamthauses umgewandelt und bestand auf diese Weise mit seinem Vermögen fort. Bereits von 1552 an wirkte ein evangelischer Prediger an St. Blasius. 1671 verlor die Stadt Braunschweig ihre Autonomie und die Patronatsrechte am Stift gingen an die Wolfenbütteler Fürsten, weshalb die Stiftsherren von da an ausschließlich Staatsbeamte des Wolfenbütteler Fürstentums waren.
1702 wurden die Kanonikate auf zehn verringert und schon zuvor wurden zahlreiche Vikarien eingezogen und mit Stiftsämtern zusammengelegt. 1808 bestand das Kapitel noch aus dem Dekan, dem Propst, neun Kanonikern mit großer Pfründe und zwei Kanonikern mit kleiner Pfründe. Trotz des Reichdeputationshauptschlusses von 1803 blieb das Stift bis zur französischen Besatzung 1810 bestehen. Eine Wiederherstellung scheiterte, sodass der Stiftsbesitz 1832 der herzoglichen Kammer zugeschlagen wurden. Die Gebäude sind bis heute, wenn auch in restaurierter und veränderter Form, erhalten. Hier befinden sich zahlreiche Kunstschätze, darunter der Marienaltar von 1188. Bauinschriften und Graffiti sind in der Kirche seit 1346 erhalten, Inschriften an Stiftsherrenhäusern seit 1488, vgl. DI 35 und 56. Der sogenannte „Welfenschatz“ gelangte nach 1671 nach Hannover und wurde in der Schlosskapelle ausgestellt. Nach 1866 wurde er nach Österreich-Ungarn an den Exilort der hannoverschen Könige geschafft. Ab 1930 wurde er verkauft, sodass er sich heute auf 83 erhaltene, auf zehn verschiedene Museen verteilte, Stücke beläuft.

Literatur: Ulrich Schwarz, Artikel Braunschweig – Kollegiatstift St. Blasius, , in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, herausgegeben von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer, (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56,1), Bielefeld 2012, S. 102-123.

Germania Sacra: 52

GND: [4355884-7]

Bearbeiterin: Julia Bartels